Der Zeigarnik-Effekt: Im Cliffhanger gefangen

Was offene Aufgaben mit unserem Kopf machen

Ungelesene E-Mails, halbfertige Texte, offene To-dos: Was wir nicht abschließen, begleitet uns oft wie ein unsichtbarer Schatten. Es zieht an unserer Aufmerksamkeit, stört die Konzentration und kann sich sogar auf unsere Stimmung auswirken. Dahinter steckt ein psychologisches Phänomen: der Zeigarnik-Effekt.

Was ist der Zeigarnik-Effekt?

Der Effekt geht auf die russische Psychologin Bluma Zeigarnik zurück, die in den 1920er-Jahren feststellte: Menschen erinnern sich besser an unterbrochene oder unvollständige Aufgaben als an abgeschlossene. In einem berühmten Experiment fiel auf, dass Kellner sich besonders gut an offene Bestellungen erinnerten, bis sie abgeschlossen waren. Danach verschwand die Erinnerung erstaunlich schnell.

Die psychologische Erklärung: Unser Gehirn mag abgeschlossene Abläufe. Bleibt etwas offen, erzeugt das eine innere Spannung, wie eine Melodie, die nicht zu Ende gespielt wird. Diese Spannung hält den Gedanken wach, manchmal auch nachts.

Cliffhanger nutzen diesen Effekt, indem sie eine Geschichte an einem spannenden Punkt abbrechen, was beim Publikum ein starkes Bedürfnis nach Auflösung weckt. Dadurch bleibt die Handlung besser im Gedächtnis und motiviert dazu, die Fortsetzung zu verfolgen.

Die Kosten offener Aufgaben

Offene Aufgaben wirken oft subtil und nachhaltig. Sie

  • belasten das Gedächtnis, weil sie ständig „mitlaufen“

  • erhöhen das Stresserleben, selbst wenn sie klein erscheinen

  • verhindern echte Erholung, weil unser Gehirn noch „offen ist“

  • blockieren den Fokus, da wir ständig mentale Energie auf Unerledigtes verwenden

Und das Beste: Wir merken es oft erst dann, wenn wir zur Ruhe kommen und plötzlich an eine längst fällige Rückmeldung oder ein unerledigtes To-do denken.

Was hilft?

1. Schreiben statt merken

Der einfachste Hebel: Raus aus dem Kopf, rein ins System. Wer Aufgaben notiert, entlastet sein Gedächtnis sofort. Wichtig ist dabei ein verlässliches System, ob To-do-App, Bullet Journal oder klassischer Wochenplan.

2. Kleine nächste Schritte definieren

Je konkreter eine Aufgabe, desto eher lässt sie sich starten. Statt „Website überarbeiten“ besser: „Starttext Website umformulieren“ oder „Impressum aktualisieren“. Das entzaubert den Berg und reduziert mentale Blockaden.

3. Unerledigtes aktiv abschließen oder bewusst streichen

Nicht alles muss fertig werden. Manche Aufgaben verlieren ihre Relevanz. Wer regelmäßig aussortiert und bewusst entscheidet, was nicht mehr gemacht wird, schafft Klarheit. Auch das ist ein Abschluss!

4. Rituale zur Entlastung etablieren

Ein kurzer Tagesrückblick am Abend mit der Frage „Was bleibt heute noch offen?“ hilft, offene Gedankenschleifen bewusst wahrzunehmen. Was notiert ist, muss nicht mehr kreisen.

5. Den Effekt umkehren: Spannung gezielt nutzen

Der Zeigarnik-Effekt lässt sich auch produktiv einsetzen. Wer mitten in einer Aufgabe bewusst pausiert, kann beim Wiedereinstieg von der mentalen Spannung profitieren. Autor*innen nutzen das z. B., um beim Schreiben leichter wieder reinzukommen.

Fazit:
Was wir im Außen offen lassen, beschäftigt uns im Inneren, bis wir entscheiden, es abzuschließen oder loszulassen!

Der Text ist zu Ende, Ihr Kopf darf ihn jetzt loslassen :-)

Für alle, die sich im Kreis Gießen und darüber hinaus Unterstützung dabei wünschen, den Kopf schneller frei zu bekommen, stehe ich gern zur Verfügung.

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