Die unsichtbare Tasche

Man verlässt die Klinik oder Praxis, doch sie verlässt einen nicht.
Das ist ein stilles Paradox vieler Mediziner: Die Tür ist zu, der Arbeitstag offiziell vorbei. Doch was man wirklich nach Hause trägt, ist unsichtbar: das Gewicht der Befunde und Anamnesen, die haften bleiben. Es sind die offenen Fragen: Habe ich bei der Visite ein wichtiges Detail übersehen? Hätte ich die Symptome noch einmal anders deuten sollen? Was, wenn sich der vermeintlich harmlose Befund doch als etwas Ernstes entpuppt?

Zu Hause wartet das andere Leben, Partner, Kinder, Gespräche. Doch zwischen Abendessen und Gute-Nacht-Geschichte mischen sich die Stimmen des Tages: die Anspannung eines schwierigen Notfalls, die Gesichter der Menschen, die auf Antworten hoffen, das Gewicht der Verantwortung, die kein Dienstplan abstreifen kann.

Die Angehörigen merken schnell: Anwesend sein heißt nicht immer präsent sein. Ein stiller Blick, ein knappes Wort, eine Müdigkeit, die nicht nur körperlich ist, sie verraten, dass der Arbeitstag nachwirkt.

Die Herausforderung liegt deshalb neben Diagnose und Therapie im Loslassen. Darin, diese schwere unsichtbare Tasche am Ende des Tages wirklich im Flur abzustellen.
Beim Gespräch auch wirklich beim Gespräch zu sein. Um beim Lächeln auch wirklich zu lächeln.

Damit Medizin nicht auszehrt, braucht es aber auch Strukturen, die tragen: ausreichend Personal, Raum für echte Gespräche, funktionierende Abläufe, Rückhalt durch Kolleginnen, Kollegen und das System selbst. Entlastung ist Voraussetzung für gute Versorgung und für die Gesundheit derjenigen, die heilen sollen.

Die Kunst ist also nicht nur, nach einem Arbeitstag innerlich loszulassen. Die Kunst ist auch, Bedingungen zu schaffen, die dieses Loslassen überhaupt ermöglichen. Denn Medizin gelingt nur dort, wo Ärztinnen und Ärzte nicht nur für andere sorgen, sondern auch selbst Rückhalt erfahren, beruflich wie menschlich.

Damit die unsichtbare Last des Arbeitstags nicht allein bei Ihnen bleibt, stehe ich Ihnen persönlich im Kreis Gießen und darüber hinaus unterstützend zur Seite.

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